13.06.2024 07:54
Ein Bijou in altem Glanz
Diesen Samstag, 15. Juni, öffnet das Schloss Hauptwil seine Türen für die Öffentlichkeit. Wer das grosse, historische Gebäude im Herzen Hauptwils aus vergangenen Zeiten kennt, dem ist beim Besuch die eine oder andere Überraschung garantiert. Denn durch die aufwendige und durchdachte Renovation wird jetzt offensichtlich, was für ein einmaliges Bijou das Schloss in Tat und Wahrheit ist.
Hauptwil Vor nicht allzu langer Zeit musste man sich die Frage stellen, ob das Schloss Hauptwil seinem Namen noch gerecht wird oder schon das Prädikat «Ruine» verdient. Denn nach jahrelanger Vernachlässigung und sechsjährigem Leerstehen war nicht nur der sprichwörtliche Lack angekratzt, sondern es gab tatsächliche Löcher im Dach und Tümpel im Keller. Doch dieses Kapitel gehört dank eines Grafen und seiner Familie nun der Vergangenheit an.
Dass sich Familie Matuschka das Schloss Hauptwil als neues Zuhause ausgesucht hat, ist ein Glücksfall für die Gemeinde und die Region. Denn wer sonst wäre nicht von einem solch riesigen Renovationsprojekt eingeschüchtert worden? Doch weder ein undichtes Dach und ein überfluteter Keller, noch Strom- und Wasserleitungen aus einem scheinbar anderen Zeitalter liessen die Grafenfamilie davon abbringen, Schloss Hauptwil zum neuen Familiensitz zu machen. «Aus unserer Sicht ist Hauptwil ein Glücksfall für uns. Denn ein solches Renovationsprojekt zu realisieren, wäre in Deutschland niemals möglich gewesen», ist Markus Matuschka überzeugt.
Man habe auf viel Unterstützung durch die Gemeinde Hauptwil und den Thurgauer Denkmalschutz zählen dürfen, was vieles erleichtert habe. «Der Denkmalschutz hat uns mit gutem Rat geholfen. Dank dieser Unterstützung konnten wir bei der Renovation durcharbeiten und mussten nicht ständig neue Abklärungen machen», ergänzt er.
Es scheint also fast so, als sei der Zuzug von Familie Matuschka nach Hauptwil eine Win-Win-Situation, als habe sich das gefunden, was sowieso zusammengehört. Aus Sicht von Markus Matuschka gibt es daran keinen Zweifel, denn ihm gefällt nicht nur sein neues Zuhause, sondern auch die neue Nachbarschaft:
«Hier gibt es den gesunden Menschenverstand noch. Denn die Leute stehen für ihre Freiheit und ihre Meinung ein – was gibt es Sympathischeres?»
Barock muss es sein
Dass ausgerechnet Schloss Hauptwil das neue Domizil von Graf Matuschka von Greiffenclau und seiner Familie wurde, kommt jedoch nicht von ungefähr. Denn nicht jedes Schloss hätte es in die engere Auswahl geschafft, erklärt Markus Matuschka: «Da ich in einem barocken Schloss aufgewachsen bin, habe ich ein Gefühl für den Barock entwickelt. Ein Schloss aus der Romantik wäre darum wohl nichts für mich gewesen.»
Und dieser Barock ist im renovierten Schloss nun wieder zu neuem Leben erweckt worden. Nicht nur die verschiedenen Räumlichkeiten sind möglichst getreu der Zeitepoche renoviert und eingerichtet worden, sondern auch draussen bildet nun wieder ein barocker Garten den perfekten Rahmen für den Prunkbau aus dem Jahr 1665. Darum herrscht auch im Garten direkt vor dem Schloss neu geometrische Ordnung.
Ganz anders sieht es jedoch rund ums Schloss aus, wo Kräuter, Wildblumen und Wiesen ein Rückzugsgebiet für die Tierwelt bieten. «Wir haben über 30 Brutkästen für Vögel aufgehängt und haben auch schon wieder Fledermäuse zu Gast. Und auch die vielen Eidechsen sind während der Bauarbeiten geblieben, weil wir sie gelegentlich gefüttert haben», freut sich Markus Matuschka. Und die Freude wird auch von seinem Sohn Philipp geteilt, der seit drei Jahren Hobby-Imker ist und für seine Bienenvölker ideale Bedingungen rund ums Schloss vorfindet.
Keine Mühen gescheut
Dass es Familie Matuschka stets darum ging, das Schloss Hauptwil so gut wie möglich zu renovieren und dabei keine Kosten und Mühen gescheut wurden, zeigt sich am Beispiel des Speisesaals. «Diese Mauer hier steht erst seit der Renovation wieder», sagt Markus Matuschka, zeigt auf die Wand zu seiner rechten und ergänzt, «und dies, obwohl es eine Stützmauer ist!» Es habe daher ein halbes Jahr gedauert, um die Decke jeden Tag ein paar Millimeter anzuheben und die einstige Höhe zu erreichen. Denn nur so sei man dem Risiko aus dem Weg gegangen, die Deckenbalken zu brechen.
Ein absolutes Highlight auf der Tour durchs Schloss ist jedoch etwas, das zu früheren Zeiten in einem anderen Raum im Schloss angesiedelt war: Die schlosseigene Kapelle. Diese war einst dort, wo jetzt der Gartensaal liegt. «In diesem Raum wurden früher Tücher getrocknet, wie man an den Haken in der Decke erkennt», verrät Markus Matuschka. Hätte er die Haken nicht erwähnt, wären sie einem niemals aufgefallen. Denn beim Blick nach oben wird die Aufmerksamkeit von etwas ganz anderem in den Bann gezogen. «Das sind Teile eines Deckenfreskos des Künstlers Tiepolo. Das Original ist im Treppenhaus der Würzburger Residenz», erklärt der gläubige Katholik, für den die Kapelle ein ganz besonderer Ort ist. Deshalb sind die Ausschnitte des originalen Deckenfreskos auch keine Tapete, sondern seien von Hand gemalt worden: «Die Künstler mussten hierfür mehrere Wochen auf dem Rücken liegen.» Das Resultat dieser Arbeit ist aufgrund der verschiedenen Figuren und kräftigen Farben unglaublich eindrücklich – was nicht untypisch für die Zeitepoche sei: «Der Barock war eigentlich sehr farbenfroh. Nur ist dieses Wissen leider vielerorts verloren gegangen.»
Eine Reise in die Vergangenheit
Am kommenden Samstag wird bei der Eröffnungsfeier des Schlosses jedoch nicht nur viel zu sehen sein, sondern auch die Geschichtsinteressierten kommen auf ihre Kosten. Vor allem über Familie Gonzenbach gibt es viel in Erfahrung zu bringen. «Da es in Hauptwil kein Museum gibt, wurde von der Familie veranlagt, dass das Familienarchiv in Bischofszell untergebracht wird», erzähltCorina Tresch De Luca, die Kuratorin des Historischen Museums Bischofszell. Obwohl noch nicht der ganze Inhalt von 14 Bananenschachteln ins Inventar aufgenommen und archiviert sei, werden bei der Eröffnung des Schlosses am Samstag einige interessante Exponate zur Geschichte der Familie Gonzenbach zu sehen sein. Doch Neugierige müssten sich nicht einfach mit Ausstellungsstücken zufrieden geben, sondern hätten auch die Möglichkeit, Fachleute mit ihren Fragen zu löchern, verspricht Corina Tresch De Luca: «In jedem Raum wird es versierte Historiker und Archäologen haben, die über ein breites Wissen verfügen.»
Zu entdecken gibt es auch sonst einiges im Schloss, zum Beispiel den Einstieg zu einem Geheimgang, leuchtende Eulenaugen, falsche Fenster, wieso es so köstlich nach frisch gebackenem Brot riecht oder warum ein äusserst amüsantes Zooschild am oberen Eingang hängt. Doch mehr soll nicht verraten werden, denn je mehr Geheimnisse man selber im Schloss lüften kann, desto spannender wird der Blick zurück in die Vergangenheit.
Darum soll an dieser Stelle auch nicht weiter auf die Geschichte des Schlosses Hauptwil eingegangen und von einer absolut geglückten Renovation geschwärmt werden. Einzig ein bisschen Wetterglück soll noch eingefordert werden. Denn obwohl Stuckaturdecken, Nussbaumverkleidungen, Marmorböden und tropische Tapeten einen zu entzücken vermögen, sind es doch gewisse Details, wie der Schattenwurf des schmiedeisernen Engelstrompeter-Zauns, die aus einem wunderschönen Schloss ein absolutes Bijou machen. Dieser Meinung ist auchMarkus Matuschka: «Die Gonzenbachs haben sich damals unglaublich Mühe gegeben. Und sie mussten einen richtig tollen Architekten gehabt haben.»
www.schloss-hauptwil.ch
Von David A. Giger