14.05.2025 07:27
Einsatz für eine lebendige Thur
Naturinteressierte aufgepasst: Die IG Lebendige Thur hat vor Kurzen ein neues Projekt lanciert und ist bei diesem auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Denn es handelt sich dabei um eine Citizen-Science-Projekt, bei dem jede und jeder mithelfen kann, die Artenvielfalt der Thur zu entdecken und zu dokumentieren.
Thur Forschen geht nicht nur im Labor und keineswegs auch nur als berufliche Tätigkeit. Dies beweist ein neues Projekt der IG Lebendige Thur, das mit Hilfe einer App aus jedem Spaziergänger einen potenziellen Forscher macht. Das Projekt habe zwei Ziele, erklärt Tim Schoch von Pro Natura Thurgau: «Wir wollen eine Bestandesaufnahme der Biodiversität der Thur machen, um einen Überblick über Flora und Fauna zu erhalten. Und wir wollen das Bewusstsein der Bevölkerung für den Lebensraum Thur stärken.»
Die Interessengemeinschaft Lebendige Thur wurde gegründet, um sich für eine natürliche und lebendige Thur einzusetzen. Sie ist ein Zusammenschluss verschiedener Umweltschutzorganisationen, die im Einzugsgebiet der Thur aktiv sind: Nebst Pro Natura und WWF gehören dazu Aqua Viva, Birdlife und die Fischereiverbände der Kantone Thurgau und St.Gallen. Die IG Lebendige Thur entstand vor sieben Jahren als Reaktion auf die geänderte Gewässerschutzgesetzgebung auf eidgenössischer Ebene und verfolgt seither das Ziel, die Thur «natürlich, vielfältig und sicher» zu machen. «Wir brauchen ein Hochwasserschutzkonzept, das Biodiversität, Naherholung und Sicherheit verbindet», heisst es auf der Webseite der Interessengemeinschaft darum. Denn mit der Verbauung der Thur vor über 100 Jahren, als die Thur «begradigt und in ein enges Bett gezwängt» wurde, seien nicht nur wertvolle Naturräume verloren gegangen, sondern auch die Überschwemmungsgefahr sei wegen des fehlenden Gewässerraums an einigen Orten gestiegen.
Um wieder eine natürliche, vielfältige und sichere Thur zu erhalten, hat die IG Lebendige Thur einen 10-Punkte-Plan zusammengestellt. Dieser soll dafür sorgen, dass die Thur mehr Raum und eine bessere Vernetzung erhält, um ein vernünftiges Miteinander von Mensch und Fluss zu ermöglichen, «damit die Thur wieder zur Gewässerperle wird, die sie einst war.»
Um dieses Ziel zu erreichen, soll nun eine Community aufgebaut werden, die dieses Unterfangen unterstützt – ideell sowie tatkräftig. «Die Idee ist es, dass ich die Freiwilligen koordiniere und den Austausch untereinander organisiere», erklärt Tim Schoch von Pro Natura Thurgau seine Rolle beim kürzlich lancierten Projekt.
Hobbyforscher gesucht
Wesentlich für das Unterfangen, das aus der Thur wieder eine Naturperle machen will, ist das kürzlich gestartete Citizen-Science-Projekt der IG Lebendige Thur. Dieses versucht mit Hilfe der Gratis-App «iNaturalist» eine Bestandesaufnahme der Lebensräume im Uferbereich zu machen und die Artenvielfalt entlang der Thur in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung zu erforschen und zu dokumentieren. Eigentlich sollte hierfür am Montag, 28. April, ein Einführungskurs in das Projekt und in die App in Bischofszell stattfinden. Da jedoch nur eine Anmeldung bei der IG Lebendige Thur eingegangen war, musste der Anlass abgesagt werden.
Der Projektverantwortliche Tim Schoch nahm sich dennoch die Zeit, das Projekt und die Benutzung der App der Redaktion vorzustellen. «Uns interessiert grundsätzlich alles, was sich im Lebensraum Thur befindet. Ganz egal, ob dies seltene oder bedrohte Arten oder invasive Neophyten sind», erklärt der Biologe. Je mehr Informationen man zur Artenvielfalt habe, desto faktenbasierter könne der Artenschutz und allfällige Renaturierungsprojekte koordiniert werden. Der Vorteil der App «iNaturalist» liege darin, dass man viele Daten von verschiedenen Orten erhalte. Denn man müsse kein Profi sein, um die App zu bedienen. Einzige Voraussetzung sei ein Smartphone mit Internetverbindung. Dies reiche, um aus jedem Spaziergänger einen potenziellen Forscher zu machen, erklärt Tim Schoch: «Mit der App kann man jede Sichtung melden, also nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere, Pilze und Flechten. Es geht also wirklich um die Artenvielfalt von Flora und Fauna im Lebensraum Thur.»
Jede gemeldete Sichtung wird in einer Datenbank mit Geodaten und Foto gespeichert, was Experten künftig helfen soll, ein Gesamtbild vom Lebensraum Thur zu erhalten. Doch die App ist nicht nur für die Experten interessant, die spezielle oder unklare Beobachtungen analysieren und ihre Meinung dazu abgeben, sondern auch für die Hobbyforscher vor Ort. Denn sobald im Erkennungsmodus der App eine Pflanze auftaucht, versucht das Programm diese zu erkennen und liefert sogleich eine Artenbezeichnung, inklusive prozentualer Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Einordnung.
Wenig Aufwand, viel Ertrag
Was die App alles kann, zeigte Tim Schoch gleich anhand einiger Beispiele. Unweit der Alten Thurbrücke sichtete er schon von Weitem einen Neophyten, den Japanischen Knöterich, den die App sofort als solchen erkannte. Und auch beim «Gundermann» liegt die Trefferquote bei 80 Prozent. In einem Fall ist sich die App jedoch nicht ganz sicher, weshalb nur die Obergruppe angegeben wird. «Hier lohnt es sich, ein Foto mit einem Massstab zu machen. Dies hilft im Nachhinein der Community, die Pflanze schliesslich genau einzuordnen», sagt Tim Schoch.
Die App wird bereits seit längerer Zeit international genutzt und hat rund 240 Millionen Beobachtungen rund um die Welt registriert. Auf das Gebiet der Thur fallen davon nur knapp 2000. Darum sei Mithilfe aus der Bevölkerung gefordert, denn je mehr Daten man habe, desto erfolgreicher werde das Projekt: «Falsch machen kann man nichts. Darum lieber ein Foto zu viel hochladen als eines zu wenig.»
Sollte es bald einen weiteren Einführungskurs in das Projekt geben, wird ein solcher in dieser Zeitung veröffentlich werden. Denn Menschen zu motivieren, etwas genauer hinzuschauen beim Spaziergang entlang der Thur, kann nur Vorteile haben – davon ist nicht nur Tim Schoch überzeugt: «Menschen können so aktiv einen Beitrag für die Natur leisten. Und dies ohne Vorkenntnisse zu haben oder einen grossen Aufwand betreiben zu müssen.»
www.lebendigethur.ch
Von David A. Giger