14.11.2024 10:04
Wirtschaftsmeeting befasst sich mit brandaktuellem Thema
Letzten Mittwoch, 6. November, fand im Presswerk Arbon die 21. Ausgabe des Oberthurgauer Wirtschaftsmeetings statt. Das Thema der Podiumsdiskussion war überraschenderweise noch aktueller, als ohnehin angenommen wurde. Denn da die Präsidentschaftswahl in den USA viel schneller und klarer entschieden war, als allgemein erwartet, wurden aus Spekulationen interessante Prognosen.
Arbon Das Oberthurgauer Wirtschaftsmeeting hat Tradition. Das von der Arbeitgebervereinigung der Region Arbon veranstaltete Treffen fand dieses Jahr bereits zum 21. Mal statt. Wie gewohnt arbeiteten die Veranstalter eng mit «befreundeten» Organisationen zusammen, in diesem Fall mit der Arbeitgebervereinigung Romanshorn, dem Industrieverein Amriswil sowie der IHK Thurgau. Dennis Reichardt, Präsident der Arbeitgebervereinigung der Region Arbon, betonte darum in seinen Begrüssungsworten die Wichtigkeit des Anlasses für eine Stärkung der Region Oberthurgau, da er eine Plattform für Diskussion, Austausch und Inspiration biete: «Unser Ziel ist es, nicht nur für unsere Mitglieder, sondern auch für den gesamten Oberthurgau ein herausragendes Ereignis zu organisieren, das aktuelle und zukünftige Herausforderungen beleuchtet, innovative Lösungsansätze aufzeigt und zur Stärkung unserer lokalen Wirtschaft beiträgt.»
Dementsprechend vollgepackt war das Programm des Oberthurgauer Wirtschaftsmeetings. Denn auf diesem stand nicht nur eine Podiumsdiskussion mit zwei ausgewiesenen USA-Experten, sondern auch ein kurzer Abstecher an die Olma, eine Präsentation mit Führung über das Saurer «Werk Zwei» durch die Besitzerin HRS sowie zwei Vorträge von Vertreter:innen der Industrie- und Handelskammer Thurgau. Während sich deren Direktor Jérôme Müggler mit den bilateralen Verträgen mit der EU befasste und die Wichtigkeit des Handels mit der EU insbesondere für die Ostschweiz hervorhob, erzählte die Präsidentin der IHK Thurgau, Kris Vietze, von ihren Erfahrungen aus dem ersten Jahr im Nationalrat. Zudem betonte sie in Aussicht auf die kommenden Abstimmungen, wie wesentlich eine leistungsfähige Infrastruktur für die IHK Thurgau sei.
Brandaktuelle Podiumsdiskussion
Höhepunkt des Anlasses war aber eindeutig die Podiumsdiskussion zur US-Präsidentschaftswahl mit zwei USA-Experten, die an der HSG unterrichten. Denn Reto Föllmi, Professor für Internationale Ökonomie, und Christoph Frei, Professor für Staats- und Politikwissenschaften, konnten sich aufgrund der überraschenden Entwicklungen am Wahltag schon über Fakten und nicht nur über mögliche Szenarien unterhalten. Moderatorin SabineBianchi machte diese Tatsache auch allen Anwesenden bewusst, die nicht auf dem neusten Stand der Entwicklungen waren: «Das Timing ist perfekt, wir sind Zeugen eines historischen Ereignisses. Denn Donald Trump ist erst der zweite Präsident, der zurück ins Amt kommt – und der erste, der dies als verurteilter Straftäter tut.»
Christoph Frei, dessen Expertise in der Wahlnacht von vielen Seiten gefragt war, habe bereits um kurz vor 2 Uhr in der Nacht während des Zähneputzens gewusst, dass das Rennen wohl gelaufen sei. Denn die Nachrichten aus den verschiedenen Countys seien in einer so schnellen Abfolge und mit einem solch klar verteilten Momentum eingetroffen, dass sich ein Sieg vonDonald Trump abzeichnete: «Wir haben alles für möglich gehalten vor der Wahl. Jetzt ist klar, dass es ein grossartiger Sieg für die Republikaner wird.» Reto Föllmi konnte dieser Einschätzung nur zustimmen: «Obwohl ich einen Sieg der Republikaner erwartet habe, überrascht doch die Deutlichkeit des Sieges.»
Die beiden Experten gingen auch ausführlich auf die Gründe der Niederlage der Demokraten ein, insbesondere die fehlende Fassbarkeit von Kamala Harris und ihrer Kampagne, doch waren es vor allem die Prognosen für die USA sowie die Schweiz, die hochinteressant waren. «Eine republikanische Führung war in der Vergangenheit grundsätzlich nicht so schlecht für die Schweiz», meinte zum Beispiel Reto Föllmi. Er relativierte jedoch sofort, da anzunehmen sei, dass die von Trump angekündigten Zölle auf subventionierte Produkte den Handel mit den USA künftig stark beeinflussen werden und man weltweit höhere Zölle sehen werde. Auch die Schweiz werde von solchen Entwicklungen nicht verschont bleiben, da diese fast doppelt so viel in die USA exportiere als von dort importiere, also einen grossen Handelsüberschuss aufweise: «Die Schweiz ist auf ein multilaterales System und Freihandel angewiesen. Diesbezüglich werden die Unsicherheiten mit der zweiten Trump-Administration zunehmen.»
Auch Christoph Frei betonte in seinen Ausführungen, dass das Weltfreihandelssystem nur sehr bedingt von uns selbst beeinflusst werden könne und man deshalb mit Konsequenzen rechnen müsse: «Die Grundlagen von unserem hohen Lebensstandard liegen nicht in unserer Hand. Was kommt, ist ein Wohlstandsverlust – und dies auch für die Amerikaner.» Obwohl es mit Trump holpriger werde, sei es doch nicht die Aussen-, sondern die Innenpolitik, die ihm am meisten Sorgen mache.
Vor der eigenen Tür kehren
Was ihm am meisten Mühe mache, sei der Stil von Donald Trump und dass man sich einfach an diesen gewöhnt habe, so Christoph Frei. Und mit der Hilfe von Elon Musk, dem reichsten Menschen der Welt, habe dieser Stil eine völlig neue Dimension angenommen: «Sie haben mit fragwürdigsten Methoden und Fake News die Wählerschaft überschwemmt. Sie haben in den letzten Wochen mit falschen Informationen systematisch Institutionen delegitimiert.» Die Checks und Balances würden nach den wahrscheinlichen republikanischen Siegen im Senat und Repräsentantenhaus nun noch mehr zu seinen Gunsten spielen, was Trump freie oder freiere Hände geben würde. Er habe darum absolute Gewissheit, dass er versuchen werde, dass System für sich zu nutzen. «Nehmt den Typen ernst, denn er ist kein Republikaner, sondern eine ganz eigene Nummer. Und seine Machtambitionen geben mir ein ungutes Gefühl», warnte Christoph Frei.
Reto Föllmi war es ein Anliegen, die Podiumsdiskussion mit einer positiven Note zu beenden. Denn die Schweiz sei nicht nur ein gutes Beispiel dafür, wie Macht erfolgreich geteilt werde, sondern sie sei auch ein gefragter Partner. Deshalb müsse man auch künftig vor der eigenen Tür kehren: «Westliche Staaten sind attraktive Staaten – niemand will nach China gehen. Wir müssen darum den Unternehmergeist weiter fördern und schauen, dass wir ein attraktiver Partner bleiben.»
Von David A. Giger