18.04.2024 07:45
Auf «Wanderschaff»
Nein, beim Titel handelt es sich nicht um einen Rechtschreibfehler, sondern um ein letzten Donnerstag erfundenes Wort. Ob bei der Kombination von Wandern und «Schaffen» etwas Gescheites herauskommt, erfahren Sie auf den folgenden Zeilen und Bildern.
Oberthurgau Wie letzte Woche angekündigt, wurde das Zusammentreffen von schönem Wetter, einem terminfreien Donnerstag und des Höhepunkts der ersten Phase der diesjährigen Bluescht für eine spezielle Wanderung genutzt. Auf den Spuren von «Madame Bluescht» ging es letzten Donnerstag, 11. April, auf die rund 15 Kilometer lange Wanderung vom Bahnhof Sulgen an den Bahnhof Amriswil. Die von Thurgau Tourismus geplante Wanderung war genau der richtige Einstieg für einen Wander-Anfänger, der gerne einen Grund hat, um sich irgendwohin zu begeben.
Der Beschreibung der Wanderung «Madame Bluescht» auf der Webseite von Thurgau Tourismus ist es wohl zu verdanken, dass ich mich schon vor über einem Jahr dazu entschlossen habe, diesen Ausflug so bald wie möglich einmal in Angriff zu nehmen. Dort heisst es nämlich: «Ohne nennenswerte Höhenunterschiede ist diese Blueschtwanderung für Geniesser und jene, die es gemütlich mögen, genau das Richtige.»
Thurgau Tourismus hat jedoch bei der weiteren Beschreibung der Wanderung sehr tief gestapelt, denn was einem auf der rund 15 Kilometer langen Wanderung erwartet, ist grosses Kino. Bäume in der Bluescht, wohin das Auge reicht. Ein Idyll in der Natur, weg von viel befahrenen Strassen, wo einzig der Gesang und die Rufe von Singvögeln, Krähen und Milanen zu hören sind. Eine Wanderung in eine heile Welt, in die dem Alltagsstress der Zutritt verboten wurde.
Wandern mit der App
Obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass man Natur am besten analog, sprich offline, geniesst, machte ich für diese Wanderung eine Ausnahme. Ich habe mir eine Wander-App und die von Thurgau Tourismus zur Verfügung gestellte Datei der Wanderung aufs Smartphone heruntergeladen. Die Ausnahmeregelung hat sich definitiv gelohnt, denn schon kurz nach Beginn der Wanderung traf ich nach dem Überqueren der Hauptstrasse in Sulgen auf einen Parkplatz, auf den in grossen Buchstaben «Werkhof» auf den Teer geschrieben war. Die App zeigte jedoch eindeutig an, dass der Weg genau in diese Richtung verlief. Nur darum bin ich nach kurzem Zögern über das Firmengelände gelaufen und habe am anderen Ende des grossen Platzes den Anfang eines Pfades entdeckt. Diese Skepsis gegenüber Werkhöfen rührt nicht von ungefähr. Denn Werkhöfe sind im Ausland oft das Gleiche, was bei uns Bauernhöfe sind: Areale, die gerne von territorialen Hunden bewacht werden.
Auch auf der weiteren Strecke bewährte sich der Einsatz der App. Denn man konnte einfach laufen und dann vor Kreuzungen den Anweisungen einer Damenstimme folgen. Vielleicht jener von «Madame Bluescht»? Wer weiss – die Orientierung war zumindest stets gegeben, genauso wie Informationen über die zurückgelegte und die noch vor einem liegende Strecke. Auf einer Karte konnte man zudem in Erfahrung bringen, wo genau man sich im Moment befand. Das einzig Nervige an der App waren die Warnungen, die jedes Mal ausgesprochen wurden, wenn ich für ein Foto ein paar Schritte zu weit vom vorgegebenen Weg wegging. Die gute «Madame Bluescht» ist also mit Sicherheit keine passionierte Fotografin!
Der Weg ist das Ziel
Obwohl beim Wandern durch eine Märchenwelt vor allem die visuellen Eindrücke zu begeistern wussten, ist immer auch das längere Laufen am Stück ein Erlebnis. Denn man kommt in einen natürlichen Trott, in welchem nicht viel studiert und nachgedacht wird, sondern einfach ein Fuss vor den anderen gesetzt wird. Man läuft des Laufens willen und macht so Bekanntschaft mit dem Hier und Jetzt, dem gegenwärtigen Moment. «Nur wo Du zu Fuss warst, bist Du auch wirklich gewesen», sagte schon Johann Wolfgang von Goethe. Und ich glaube, dass er damit genau dieses Wanderphänomen meinte, das die reale und gedankliche Welt vorübergehend auf einen kleinen Fleck Erde reduziert. Ganz sicher bin ich mir nicht, darum muss ich wohl noch ein paar mehr Dateien von Wanderungen auf meine App laden und andere Orte zu Fuss erkunden. Aber vielleicht warte ich damit noch bis nach der Bluescht. Denn es fällt mir sehr schwer, längere Wegstücke zu laufen, wenn überall am Wegrand Bäume aus dem Zauberland darauf warten, von meiner Kamera eingefangen zu werden.
Von David A. Giger