16.01.2024 16:28
Integration funktioniert so
Eines der grossen Themen der nächsten Jahre wird die Migration sein. Je mehr die Wohlstandsschere sich öffnet und je mehr Gebiete auf dieser Welt Opfer der Klimaerwärmung werden, desto grösser werden die Migrationsströme in sichere Häfen wie die Schweiz sein. Konstruktive Lösungen bei der Perspektivenschaffung, Einwanderung und Integration sind darum gefragt wie nie.
Bischofszell Das Thema Migration bewegt. Dies haben die letzten Wahlen gezeigt. Dies zeigen internationale Nachrichten täglich. Und dies zeigt die Präsenz des Themas inAlltagsgesprächen. Darum soll das Thema auch in den Oberthurgauer Nachrichten gelegentlich angeschnitten werden. Den Anfang soll heute ein Neu-Schweizer aus Bischofszell machen, der durchaus das Paradebeispiel für gelungene Integration sein könnte.
Bashkim Useini aus Bischofszell ist seit gut einem halben Jahr offiziell Schweizer. Inoffiziell war er es wohl schon viele Jahre, weshalb der Erhalt des roten Passes für ihn viel mehr als nur ein administrativer Vorgang war: «Es war extrem emotional für mich. Ich habe mich wahnsinnig gefreut und war richtig stolz, als ich den Pass erhielt.»
Deshalb verwundert es auch nicht, dass er alle Hürden auf dem Weg zu einem der weltweit begehrtesten Pässe überhaupt ohne Probleme meisterte. Selbst die Frage beim Einbürgerungstest der Gemeinde, ob er sich vorbereitet habe, brachte ihn nicht aus der Ruhe, weshalb er der zuständigen Dame geantwortet habe: «Wissen Sie, wenn ich mich auf diesen Test hätte vorbereiten müssen, dann wäre vorgängig schon viel schief gelaufen.»
Paradebeispiel fürgelungene Integration
Bashkim Useini hat den Einbürgerungstest mit voller Punktzahl bestanden. Dass er in Jugoslawien, im heutigen Nordmazedonien, geboren ist und erst mit neun Jahren in die Schweiz kam, merkt man ihm nicht an – sein Schweizerdeutsch ist akzentfrei. «Mein Vater war seit den 80-er Jahren Saisonnier hier in der Schweiz und arbeitete als Hilfsarbeiter auf dem Bau. 1990 kamen dann meine Mutter, mein älterer Bruder und ich nach Schönenberg», erzählt der 42-Jährige.
Seine ersten Erinnerungen an die Schweiz haben erstaunlicherweise wenig mit dem Land selbst, sondern mit Fussball zu tun: «Es war Fussball-Weltmeisterschaft in Italien und ich fieberte das erste Mal am Fernseher mit.» Und auch in der Schule half ihm Fussball, richtig in der Schweiz anzukommen. Denn obwohl er am ersten Schultag der 3. Klasse ohne Finken, Etui und Znüni zum Unterricht erschienen sei und kein Wort Deutsch konnte, habe sich bereits am nächsten Tag viel geändert: «Meine Lehrerin hat wohl gemerkt, dass ich mich für Fussball interessiere und so haben wir in der Turnstunde am Dienstag Fussball gespielt. Dies hat mir den Einstieg enorm erleichtert, denn ich hatte sofort viele Kollegen.»
Er habe allgemein sehr positive Erinnerungen an die ersten Jahre in Schönenberg, erzählt Bashkim Useini: «Ich war sehr positiv überrascht, wie die Dinge hier in der Schweiz laufen. Alles schien spielerisch zu sein.» Auch deutsch habe er schnell gelernt, da er nebst einem türkischen Mädchen der einzige Ausländer in der Klasse war.
Selbst als die ersten Probleme in Form eines Lehrers auftauchten, der das Gefühl hatte, dass seine Deutschkenntnisse nicht für die Sekundarschule genügen, habe er den Kopf nicht in den Sand gesteckt: «Als ich in der Real nur 5-er und 6-er hatte, fragte mich mein Lehrer, was ich denn hier mache.» So habe er mit dem Umzug von Schönenberg nach Bischofszell nicht nur die Schule, sondern auch von der Real in die Sek gewechselt.
Glück im Unglück
Dass Bashkim Useini heute am Leben ist, grenzt an ein Wunder. Denn im November 2012 wurde ihm eine Eigenschaft zum Verhängnis, die absolut schweizerisch ist – oder es zumindest einmal war: seine Hilfsbereitschaft. «Ich hatte erst vor Kurzem meine neue Stelle bei Stadler Rail angetreten, als ich an einem nebligen Morgen auf meinem Arbeitsweg auf ein Auto traf, das eine Panne hatte. Beim Versuch, der Person zu helfen, wurde ich angefahren», erzählt er. Dies seien jedoch nicht seine eigenen Erinnerungen, sondern Schilderungen von Menschen, die den Unfall beobachtet hatten: «Ich habe einen Filmriss von einem Monat und kann mich selbst nicht an den Unfall erinnern.»
Das Resultat des Unfalls war verheerend: Schwerstes Schädel-Hirn-Trauma und verschiedenste Frakturen. Es dauerte viele Jahre, bis er sich zurück ins Leben gekämpft hatte. Nicht nur Konzentrationsprobleme und Schmerzen machten ihm zu schaffen, sondern auch die nicht enden wollenden Verhandlungen mit SUVA und IV: «Als ich dann nach vielen Jahren endlich das Okay für die Finanzierung einer Umschulung bekam, hatte ich bereits selbst schon alles in die Wege geleitet.»
Denn Umschulungen waren für ihn nichts Neues – bereits seinen erlernten Beruf Automonteur musste er aufgrund von gesundheitlichen Komplikationen aufgeben: «Ich hatte seit Beginn meiner Lehre immer kaputte Hände. Irgendwann stellte sich dann heraus, dass dies aufgrund einer Nickelallergie war.» So sei er vom Automonteur zum CNC-Fräser und dann zum Verkäufer geworden – Letzteres, ohne Umschulung, sondern einzig wegen seines sicheren und freundlichen Auftretens: «Als ich während eines Vorstellungsgesprächs bei einem Elektronikfachgeschäft darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ich kein gelernter Verkäufer sei, habe ich geantwortet, dass ich trotzdem besser verkaufen werde, als einige Angestellten im Laden. Der Chef war so begeistert von meiner Antwort, dass ich den Job erhielt.»
Offen, motiviert und dankbar
Heute arbeitet Bashkim Useini in einem 80 Prozent Pensum im Büro bei der Naturex AG in Bischofszell. Er ist bestens ins gesellschaftliche Leben in Bischofszell integriert – und so ist es seine Familie: «Als Vater von zwei Töchtern ist es mir doppelt wichtig, typisch schweizerische Werte wie Anstand, Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit vorzuleben.» Er sei zwar gebürtiger Albaner, doch er identifiziere sich viel stärker mit den Werten seiner neuen Heimat. «Als Einwanderer muss man bereit sein, etwas abzugeben, auf etwas zu verzichten. Das ist der Preis, den du zahlen musst, um hier zu sein», erklärt der 42-Jährige und verleiht seiner Aussage mit einer typisch schweizerischen Redewendung Nachdruck, «Du kannst nicht den Fünfer und das Weggli haben.»
Obwohl er selbst ein Einwanderer sei, laufe heute doch vieles schief in unserem Land. Problematisch werde Integration von Einwanderern vor allem dann, wenn zu viele aus einem Kulturkreis sich gleichzeitig niederlassen: «Ich hatte das Glück, dass ich schon vor dem grossen Schub durch den Jugoslawien-Krieg hier in der Schweiz war. Wer jedoch hier weiterhin seine Muttersprache sprechen kann, der muss sich überhaupt nicht integrieren.» Er habe auch tolle Eltern, die sich integrieren wollten und es ebenso von ihren Kindern erwarteten: «Integration ist zu einem grossen Teil Aufgabe des Elternhauses. Darum müssen die Eltern viel mehr in die Pflicht genommen werden.» Dies sei auch der Grund, weshalb die Integration von jungen Menschen, die alleine hierher kommen, oftmals scheitere: «Sie haben niemanden, der ihnen die Werte vorlebt und sie in die Schranken weist.»
Wer mit Bashkim Useini über Integration diskutiert, merkt schnell, dass das Thema ihn interessiert und ihm am Herzen liegt. Er macht auch keinen Hehl daraus, dass er einer unregulierten Zuwanderung kritisch gegenübersteht: «Wir müssen die Einwanderung drosseln und uns erst einmal mit jenen Ausländern beschäftigen, die bereits hier leben. Denn sie sind oft die Leidtragenden, wenn die Einwanderung in ein schlechtes Licht gerückt wird.»
Gerne würde Bashkim Useini seinen Beitrag leisten, um anderen Einwanderern in der Schweiz zu zeigen, wieso Integration so wichtig ist, wieso Integration ein Muss ist. Denn er ist stets bemüht, ein guter, rechtschaffener Schweizer Bürger zu sein und seiner neuen Heimat etwas zurückzugeben. Denn für ihn ist klar, dass dies zu seinen Bürgerpflichten gehört: «Wir sind hier zu Hause und wir müssen unserem Land Sorge tragen.»
Von David A. Giger