Heute kann man nicht einmal mehr registrierten Handynummern trauen: «Spoofing» heisst die neue Masche der Gauner. (Illustration: dag)
12.10.2023 06:00
Wem kann man heute noch trauen?
Spaming, Phishing, Smishing, Hacking, Spoofing und «Was-weiss-ich-noch-was»-ing – neue Betrugsformen und ihre englischen Bezeichnungen schiessen scheinbar wie Pilze aus dem Boden. Besonders besorgniserregend an den immer ausgefeilteren Maschen der Gauner: Selbst sicher Geglaubtes ist nicht mehr sicher vor ihnen.
Schweiz Kriminelle Energie scheint ein globales Phänomen zu sein, das sich ausbreitet wie ein Virus: Zieht eine neue Masche, dann wird sie in Windeseile von anderen Kriminellen aufgeschnappt und kopiert. Aufgrund des technischen Fortschritts sind wir mittlerweile so weit, dass selbst die eigene Handynummer nicht mehr sicher ist. Denn mittels «Spoofing» kann diese für dubiose Zwecke «ausgeliehen» werden.
Folgendes Szenario dürfte wohl jedem Handy-Besitzer bekannt sein: Man erhält einen Anruf von einer Schweizer Handy-Nummer mit der Vorwahl 077, 078 oder 079 und am anderen Ende der Leitung wird man von einer Person von irgendeiner Firma in gebrochenem Deutsch begrüsst. Meine Reaktion bei solchen Telefonaten: Ein bestimmtes «Dankeschön, kein Interesse» gefolgt von unmittelbaren Beenden des Telefonats. Was genau diese Verkäufer einem andrehen wollen, weiss ich deshalb nicht. Doch dies brauche ich eigentlich auch nicht zu wissen, da es sich garantiert um nichts Wichtiges und schon gar nicht um etwas Nötiges handelt.
In den letzten Wochen hatte ich jedoch zwei Mal mit einer neuen Masche zu tun: Ich wurde in beiden Fällen von meinem Smartphone über einen Anruf in Abwesenheit von einer Schweizer Handynummer informiert. Als ich etwas später zurückrief, war das erste Mal eine Frau und das zweite Mal ein Herr am Telefon, die mir beide versicherten, dass sie mich nicht angerufen hätten. Der ältere Herr aus dem Bernbiet meinte sogar, dass er das Handy heute noch gar nicht benutzt habe. Wie ist das möglich? Sind unsere Handynummern nicht mehr sicher? Oder waren da Geister am Werk?
«Spoofing» – eine neue Masche
Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, stellte ich der Kantonspolizei Thurgau genau diese Fragen – mit Ausnahme jener über die Geister natürlich. Ich wurde vom Mediendienst der Kapo darüber informiert, dass diese Masche bekannt sei und sich «Spoofing» nenne: «'Spoofing' ist ein internationales Problem, gegen das alle Telefonanbieter kämpfen. Es ist vergleichbar mit Phishing oder Spam bei E-Mails. Jemand ruft mit einer vorgetäuschten Nummer an. Die angezeigte Nummer gehört aber jemand anderem.»Dass diejenigen, welche die Anrufe mit falschen Nummern vortäuschen, oft betrügerische Absichten hätten, ist ja dann selbsterklärend. Denn wieso sonst sollte jemand versuchen, die eigene Identität zu verschleiern?
Welche Technik steckt dahinter?
Wie ist es jedoch technisch möglich, eine Telefonnummer zu kapern, die bereits im Besitz von jemanden ist? Die Kapo Thurgau antwortet auf diese Frage wie folgt: «Beim 'Spoofing' verdeckt die Täterschaft ihre richtige Nummer mit einer falschen Anrufer-ID. Die Spoofing-Handynummer wird entweder durch eine technische Manipulation kreiert oder von echten Nutzerinnen und Nutzern gestohlen – zum Beispiel durch Phishing oder die Annahme von Callcenter-Anrufen.» Dies heisst, dass unsere Handynummern nicht mehr sicher sind, dass es nur genügend kriminelle Energie braucht, um die Kontrolle über unsere Nummern zu erlangen.
Auch bei der Swisscom ist die Masche bekannt. «Spoofing» sei ein internationales Phänomen, mit dem man immer mehr zu tun habe: «Verbindungen mit falschen Nummern (nichtexistierende oder einem anderen Teilnehmer gehörende) stammen in aller Regel nicht aus den Netzen der Swisscom, sondern kommen meistens durch fremde/ausländische Netze in die Schweiz.» Dies macht die Sache noch schlimmer. Denn die Gauner kommen in den meisten Fällen ungeschoren davon, da sie nicht ausfindig gemacht werden können: «Die Rückverfolgung ist in der Regel unmöglich. Zahlreiche internationale Telekomanbieter können zwischen dem Anrufenden und dem Angerufenen liegen.»
Kein hundertprozentiger Schutz
Kann denn gegen solche betrügerischen Aktivitäten nichts unternommen werden? Man stelle sich nur dieses Horrorszenario vor: Ein Schockanruf wird mittels «Spoofing» von einer uns bekannten Nummer aus getätigt. Dann sagt uns unser Smartphone, dass am anderen Ende der Leitung ein Familienmitglied oder jemand aus dem Bekanntenkreis ist – und nicht ein dreister Betrüger irgendwo ganz weit weg.
Auf den Schutz vor «Spoofing» angesprochen, meint die Swisscom: «Wir empfehlen unseren Kunden, den Callfilter zu aktivieren. Wenn Kunden den Callfilter aktiviert haben, sind sie gegen unerwünschte Werbeanrufe und auch gegen viele Spoofing-Anrufe geschützt.» Doch leider folgt gleich anschliessend an diese Aussage noch ein «aber»: «Es gibt aber keinen 100-prozentigen Schutz gegen 'Spoofing', auch da sich die Vorgehensweisen der Betrüger immer wieder ändern – es ist ein Katz und Maus-Spiel.»
Weitere Informationen zum Thema und Tipps, wie man sich am besten gegen solche Betrugsversuche schütze, seien zudem auf der Webseite von Swisscom unter dem Punkt «Datensicherheit» zu finden.
Traue niemandem!
Es ist traurig, aber leider Realität: Heutzutage darf man niemandem mehr trauen. War früher Gutgläubigkeit, der Glaube in das Gute in den Menschen, noch eine Tugend, ist es heute eine Gefahr. Denn Gauner schrecken vor gar nichts mehr zurück und packen jede Gelegenheit, die sich ihnen bietet, beim Schopf. Darum ist eine gesunde Skepsis gegenüber allem Unbekannten – und leider auch gegenüber bekannten Telefonnummern – heutzutage einfach angebracht. Leider. Doch der beste Weg, diesen Kriminellen die Luft aus den Segeln zu nehmen, besteht nun einmal immer noch darin, ihnen keinen Nachschub an neuen Opfern zu liefern.
Von David A. Giger